März 2003
Für den Präsidenten der USA scheint ein Krieg gegen den Irak bereits eine beschlossene Sache zu sein, denn in einer von ihm wöchentlich gehaltenen Radioansprache bestätigt er den Willen der USA, den Irak vollständig zu entwaffnen.
Colin Powell hingegen gab in einem Interview bekannt, dass man den UN-Inspektoren noch mehr Zeit für ihre Arbeit einräumen werde, dass jedoch, wenn der Irak die an ihn gestellten Anforderungen nicht erfülle, man sich weiterhin die Option des militärischen Vorgehens aufbewahre und gegebenenfalls nutzen werde.
Der Irak zerstört am 1. und 2. März die gefundenen, verbotenen Samud-Raketen sowie eine Fabrik südlich der Hauptstadt, in dem Raketenteile angefertigt wurden. Damit wurden die UN-Forderungen buchstäblich in letzter Minute erfüllt.
Von einer "Koalition der Willigen" spricht Powell in einem Interview am 5. März. Diese werden von den USA angeführt werden und auch ohne die Zustimmung der UNO in einen Krieg gegen den Irak ziehen. Die Kriegsgegner, allen voran Deutschland und Frankreich, hingegen lehnen eine weitere Resolution ab und befürworten eine friedliche Abrüstung des Zweistromlandes.
Aus Kuwait hingegen kommt die Forderung an die irakische Regierung, dass diese zurücktreten solle, um der Region einen weiteren Krieg zu ersparen. Man wolle der irakischen Führung zwei Wochen Zeit geben, das Land zu verlassen, dieser Vorschlag war auch schon von der Vereinigten Arabischen Emirate beim Sondergipfel der Organisation der islamischen Konferenz gemacht worden.
Bush hingegen sieht die letzte diplomatische Phase für den Irak gekommen. Vor dem UN-Sicherheitsrat betont er ein weiteres Mal, dass er eine Entscheidung in den nächsten Tagen erwarte und, falls es erforderlich sein sollte, auch ohne Mandat der UNO in den Krieg ziehen würde.
Am 7. März legt UN-Chefinspekteur Blix einen weiteren Bericht vor, in welchem er die Inspektionen als sehr erfolgreich in den letzten Tagen und Wochen bezeichnete. Colin Powell hingegen weist einmal mehr auf die mangelnde Zusammenarbeit seitens des Iraks hin und droht erneut mit entsprechenden Konsequenzen, falls sich das irakische Regime nicht zu bedingungsloser Zusammenarbeit bereit erkläre.
Desweiteren fordern die USA eine weitere Resolution von der UNO in den nächsten Tagen, Russland spricht sich jedoch vehement gegen eine neue Resolution aus. Auch der deutsche Außenminister Joschka Fischer lehnt eine solche Resolution strikt ab und betont erneut die Bedeutsamkeit einer friedlichen Lösung im Irak-Konflikt. Die USA hingegen drohen jedoch, sollte keine Resolution seitens der UNO vorliegen und der Irak die bereits gestellten Anforderungen nicht umgehend erfüllen, werde man binnen 10 Tage mit entsprechenden militärischen Aktionen reagieren.
Überraschend kommt es in der Nacht zum 13. März zwischen den USA und Großbritannien zum Bruch, was die bis dato gemeinsame betriebene Irak-Politik betrifft:
Die Briten hatten einen aus sechs Forderungen bestehenden Katalog vorgelegt, den der Irak binnen der nächsten Tage zu erfüllen hatte, um einen Krieg zu vermeiden. Dazu gehörten u. a. die Vernichtung von 10.000 Litern Milzbranderreger oder die Ausreiseerlaubnis für irakische Wissenschaftler nach Zypern, wo sie von UN-Inspektoren befragt werden sollten.
Die USA hingegen bestehen weiter auf dem gesetzten Ultimatum (17. März).
Am 15. März befinden sich in der Golfregion insgesamt 257.000 Soldaten der Alliierten, davon 45.000 britische Soldaten, die Truppen warten auf ihren Einsatzbefehl. Laut des britischen Außenministers Jack Straw ist ein Krieg nun mehr wahrscheinlicher als eine friedliche Lösung. In den Führungsstäben rechnet man auf eigener Seite mit Verlusten von 10 Prozent, also etwa 25.000 Mann, davon der Großteil auf amerikanischer Seite.
Einen Tag später kommt es zu einem Treffen von George Bush, Tony Blair und Jose Maria Aznar, dem spanischen Regierungschef. Spekulationen zufolge soll dieser "Kriegsrat" bereits ein Anzeichen für einen bald beginnenden Krieg sein. Für den nachfolgenden Tag sieht Bush die letzte Chance für den UN-Sicherheitsrat, seinen Aufgaben nachzukommen. Ansonsten würden die USA ohne Zustimmung der UNO einen Krieg gegen den Irak führen.
Aus Bagdad hingegen kommt die dringende Einladung an die UN-Chefinspekteure Blix und El Baradei, um weiterhin eine friedliche Abrüstung voranzutreiben. Am 17. März wollen die Chefinspekteure mit dem UN-Sicherheitsrat über diese Einladung beraten.
Die UNO beginnt mit dem Abzug der UN-Mitarbeiter aus der entmilitarisierten Zone zwischen dem Irak und Kuwait. Zugleich erfolgt seitens der USA die Empfehlung, auch die Waffeninspektoren aus dem Irak abzuziehen. Der Rückruf der UN-Inspektoren, derzeit befinden sich etwa 135 von ihnen im Krisengebiet, erfolgt daraufhin noch am gleichen Tag.
In seiner Fernsehansprache an die Nation fordert der US-Präsident den irakischen Staatsführer Hussein und dessen Söhne ein weiteres Mal auf, das Land binnen 48 Stunden zu verlassen, da ansonsten mit militärischen Aktionen seitens der USA zu einem selbst gewählten Zeitpunkt zu rechnen sei. Diese Forderung jedoch wird vom irakischen Diktator am nächsten Tag ebenfalls im Fernsehen zurückgewiesen, da er der Auffassung ist, die USA würden auch nach seinem Rücktritt den Irak angreifen.
Australien und Polen haben sich bereit erklärt, aktiv an einem Golfkrieg teilzunehmen, Australien stellt hierbei etwa 2.000 Soldaten, Polen beteiligt sich mit 200 Mann, darunter eine ABC-Abwehreinheit.
Am 19. März sollen US-Soldaten von Kuwait aus in die entmilitarisierte Zone im Süden des Iraks eingedrungen sein, auch britische Soldaten sollen an dieser Aktion beteiligt gewesen sein. Diese Meldung wird jedoch von den britischen und amerikanischen Streitkräften dementiert.
Der Krieg gegen den Irak
Das an die irakische Führung gestellte Ultimatum ist keine zwei Stunden verstrichen, als US-Kampfflugzeuge mit Bombardements auf Ziele südlich von Bagdad beginnen.
Kuwaitischen Berichten zufolge soll die irakische Hafenstadt Umm Kasr südlich von Basra am ersten Tag des Krieges von US-Truppen eingenommen werden. Von den bisherigen Kriegsgegner wird das Vorgehen der USA scharf kritisiert.
Der Fernsehsender CNN, der schon im 2. Golfkrieg von der Front berichtete, informiert über Truppenvormärsche in Richtung Bagdad, die nur auf geringen Widerstand seitens des Iraks treffen.
Am 21. März beginnen die groß angelegten Luftangriffe der Briten und der US-Truppen, die vor allem militärische Ziele und Paläste in Bagdad treffen sollen. Weiterhin rücken britische Truppen auf die Stadt Basra vor, treffen dabei jedoch auf heftigen Widerstand. Die USA besetzen wichtige Anlagen der Ölindustrie im Süden des Landes.
Beim Zusammenstoß von zwei britischen Hubschraubern über dem Persischen Golf sterben alle sieben Besatzungsmitglieder. Bei einem Anschlag auf ein US-Militärcamp in Kuwait wird ein US-Soldat getötet. Die alliierten Truppen setzen ihren Vormarsch ins Landesinnere fort.
Bei Angriffen von US-Kampfflugzeugen auf Islamisten im Norden des Iraks sterben am 22. März etwa 100 Menschen.
Weltweit kommt es hingegen zu weiteren Massendemonstrationen gegen den Krieg.
Bei ihrem weiteren Vormarsch auf die Stadt Nassarijah stoßen britische und US-Truppen auf heftigen Widerstand, zudem gelten ungefähr zehn US-Soldaten als vermisst, man vermutet diese in irakischer Kriegsgefangenschaft.
Bei Luftangriffen auf Basra sterben laut irakischen Berichten 77 Menschen, weitere 366 werden schwer verletzt. Der arabische Fernsehsender Al Dschasira hatte am Tag zuvor Bilder von Bombenopfern in Basra gezeigt.
In den folgenden Tagen und Nächten werden die Luftangriffe auf die irakische Hauptstadt Bagdad fortgesetzt. Während die US-Führung behauptet, nur strategische Ziele anzugreifen, wird seitens des Iraks widersprochen, dass vor allem Wohngebäude zerstört werden und es Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung gibt.
Seit Beginn des Krieges sind etwa 3.500 irakische Soldaten in Gefangenschaft geraten, zudem haben sich einige Truppenverbände der irakischen Armee aufgelöst. US-Verteidigungsminister Rumsfeld hingegen erwartet kein baldiges Ende des Krieges.
Schwere Gefechte brechen am 25. März in der Nähe der Stadt Kerbala, 80 km südlich von Bagdad aus. Zudem seien bei den Kämpfen und Luftangriffen in den letzten Tagen mehr als 500 irakische Soldaten getötet worden, wie ein US-Hauptfeldwebel verlauten lässt.
Am gleichen Tag gerät die Hafenstadt Umm Kasr endgültig in britische Hände, zugleich kommt es in Basra zu Auseinandersetzungen zwischen irakischen Soldaten und der Zivilbevölkerung.
Im Libanon, in Ägypten, Lybien und Jordanien kommt es zu Protestmärschen gegen den Krieg, bei denen britische, israelische und US-Flaggen öffentlicht verbrannt werden. In Beirut demonstrieren etwa 50.000 Menschen gegen den Irak-Krieg.
In einer Fernsehansprache bereitet George Bush sein Volk auf einen langen Krieg vor, auch wenn er die bisherige Erfolge als gute Fortschritte ansieht. Colin Powell hingegen hofft, dass dieser Krieg schnellst möglich zu einem Ende kommt, wie er in einem Fernsehinterview mit Al Dschasira verlauten lässt.
In der südirakischen Stadt Nadschaf werden laut eines US-Generalmajours in wenigen Tagen bei schweren Auseinandersetzungen etwa 1.000 Iraker getötet.
Nach der ersten Kriegswoche haben die US-Truppen laut Berichten 47 Soldaten verloren, davon 18 durch Eigenbeschuss oder Unfälle. Die Anzahl der Toten auf irakischer Seite hingegen ist jedoch wesentlich höher, offiziell werden 350 Tote und 4.000 Verletzte von der irakischen Regierung angegeben.
Das Hilfsprogramm "Öl für Lebensmittel", welches zu Kriegsbeginn ausgesetzt worden war, wird zugunsten des Iraks wieder aufgenommen. Die Beschaffung und Verteilung der Güter soll durch Kofi Annan, dem UN-Generalsekretär erfolgen.
Im Irak befinden sich etwa 290.000 Soldaten der Alliierten, in den neun Tagen seit Kriegsbeginn am 20. März wurden zudem lt. amerikanischen Angaben 675 Tomahawk-Marschflugkörper sowie mehr als 6.000 sog. Präzisionsbomben abgefeuert.
Während die US-Truppen und die britischen Soldaten sich bei ihren Angriffen vor allem auf die Städte Bagdad, Basra und Mossul konzentrieren und dabei immer weiter in das Innere des Landes vordringen, gehen die weltweite Proteste gegen den Krieg weiter. So demonstrieren in der indonesischen Hauptstadt Jakarta am 30. März etwa 250.000 Menschen friedlich und fordern der Abzug der alliierten Truppen aus dem Irak.
Auch der April wurde mit weiteren massiven Luftangriffen auf Bagdad begonnen, immer mehr Quellen berichten von vielen zivilen Toten, die bei diesen Angriffen ums Leben kommen sowie eine stetig steigenden Zahl Verletzter.
Am 3. April ist die südirakische Stadt Basra von britischen Truppen eingekesselt, im Inneren der Stadt leisten etwa tausend irakische Milizen und Soldaten noch Widerstand, dennoch ist abzusehen, dass die Stadt in den nächsten Tagen fallen wird.
US-Truppen sind weiterhin auf dem Vormarsch in Richtung Bagdad, während die irakische Hauptstadt zusätzlich nahezu täglichen Bombardements ausgesetzt ist.
Die Diskussionen über die Zeit nach dem Krieg finden bereits statt, als dieser noch in vollem Gange ist. So besucht US-Außenminister Powell am 3. April Vertreter der Europäischen Union, die vor allem auf eine wichtige Rolle der UNO setzen. Zudem sind verschiedene Pläne durch die Medien bekannt geworden, wie die USA die Verwaltung eines besiegten Iraks vorzunehmen gedenken. Laut Joschka Fischer, dem deutschen Außenminister, ist es jedoch noch zu früh, bereits die Nachkriegszeit zu planen, wenn der Krieg noch nicht vorbei sei.
Am Morgen des 4. April haben US-Truppen die Kontrolle über den Flughafen von Bagdad erlangt, somit kann ein stetiger Truppennachschub aus der Luft gewährleistet werden. Zudem ist es den irakischen Führungspersonen nicht mehr ohne weiteres möglich, die Stadt auf dem Luftweg zu verlassen und ins Exil zu fliehen.Bereits am nächsten Tag dringen US-Panzerdivisionen in die irakische Hauptstadt ein, am Abend des 5. April befinden sich erste US-Soldaten im Stadtzentrum Bagdads. Das Ende des Krieges scheint näher zu kommen.